Magalis Rezensionen

Magalis Rezensionen

Magali aus dem Forum der Büchereulen hat zu allen Einhornzauber/Nebelbrückebänden wunderbare Rezensionen geschrieben und mir erlaubt, sie hier zu veröffentlichen. Vielen, vielen Dank!

Über die Nebelbrücke (23.08.2008)

Sonja träumt von Pferden, Tag und Nacht, in der Schule und Zuhause. In ihrem Zimmer finden sich Dutzende von Pferdebildern, in ihren Regalen stehen hauptsächlich Bücher über Pferde. Sonja träumt auch von Abenteuern, aber nur zusammen mit einem Pferd!
Im Alltag ist das aber nichts mit dem Träumen. Da nerven die Geschwister, der eigensinnige kleine Paul, die dauerverliebte Corinna und sogar Philipp, der Älteste, obwohl sich Sonja mit ihm noch am besten versteht. Die Eltern, beide Pflegekräfte in der Psychiatrie, sind zwar liebevoll, aber durch ihren anstrengenden Beruf ein wenig fern. Da Geld eher knapp ist bei einer großen Familie, kann sich Sonja keine Reitstunden leisten. Zum Glück hat sie vor einiger Zeit zusammen mit ihrer Freundin Melanie den Waldhof entdeckt, ein Art Tierfarm, inzwischen völlig heruntergekommen und mit nur wenigen vernachlässigten Tieren. Darunter sind allerdings zwei Ponies. Dorthin zieht es Melanie und Sonja fast täglich. Sie schuften im Stall, versorgen die Tiere und dürfen als Lohn reiten.

Sonja ist damit ganz zufrieden, aber Melanie offenbar nicht. Will sie doch auf einmal lieber mit anderen Mädchen zusammensein! Ein Zufall läßt in letzter Minute einen gemeinsamen Nachmittag, wenn auch ohne Pferde, platzen. Sonja, noch ziemlich verärgert, tut etwas, das ihr ihre Eltern verboten haben: sie radelt allein zum Waldhof.
Zu ihrem Schrecken steht das Haus leer, alle Tiere sind verschwunden. Sonja hat sich noch nicht gefaßt, als ein graues Pferd, das einen eigenartigen Schatten wirft, am Waldrand auftaucht. Er sieht halbverhungert aus und ist beträchtlich verletzt. Einfangen läßt es sich nicht.
Sonja gibt nicht auf. Nicht einmal ein Streit mit Melanie und Ärger mit Melanies Mutter bringen sie von dem Gedanken an das seltsame graue Pferd ab. Am nächsten Morgen ist sie wieder unterwegs zum Waldhof und landet mitten in einem Abenteuer, das sie sich selber so sicher nicht ausgesucht hätte.

Währenddessen sucht Melanie ein versöhnendes Gespräch mit Sonja. Auf ihrem Weg zum Waldhof aber findet sie einen verletzten Jungen, der eine unverständliche Sprache spricht und sich höchst merkwürdig, ja, bedrohlich benimmt. Sonja allerdings findet sie nirgends. In Sonjas Elternhaus trifft sie Philipp, den kann sie aber nun gar nicht leiden. Doch in der Not …
Und Philipp hat ein paar gute Ideen. Gemeinsam stöbern sie den fremden Jungen, Darian, auf, der in ein Krankenhaus gebracht worden war. Der ist offenbar am Kopf verletzt, erzählt er doch, er sei eine Art Prinz und ein Krieger. Sonja jedoch ist immer noch verschwunden. Als die Schlägerbande der Schule im Waldhof aufkreuzt, zeigt sich, daß der fremde Junge nicht verrückt ist. Er kann tatsächlich mit Magie umgehen. Melanie und Philipp müssen sich mit dem Gedanken anfreunden, daß es eine magische Welt gibt, in die Sonja offenbar verschwunden ist. Auf dem Rücken eines Einhorns.

Aus diesen recht einfachen und vertrauten Handlungsfäden webt die Autorin eine sehr ansprechende, humorvolle und recht spannende Fantasy-Geschichte für jüngere Mädchen. Was dabei sehr gut gelingt, ist, Märchenwelt und Alltagswelt in der Balance zu halten, ohne daß ein Bereich seine Eigenständigkeit aufgeben muß. Sonjas Abenteuer bei den Elarim sind genauso lebendig, wie ihre Streiterein mit dem kleinen Bruder oder ihre Schulpannen, wenn sie wieder mal von Pferden träumt. Der Konflikt zwischen den Freundinnen wirkt ebenso echt, wie der Ritt auf einem der riesenhaften Birjaks. Sonja die Welt der Elarim zu erklären ist genauso schwierig, wie Darian klarzumachen, was ein Handy ist. Beides gelingt übrigens nicht besonders gut, Darian ist ziemlich arrogant und Sonja eine eher widerwillige Heldin.

Es gibt die üblichen Verstrickungen um eine von bösen Mächten bedrohten Welt, aber sie ist immerhin von einigen interessant gestalteten Völkerschaften bewohnt, auch wenn sie die altbekannten Namen wie Gnom, Troll oder Gestaltwandler tragen. Der Grusel – und Schreckensfaktor hält sich gemessen am Alter des Zielpublikums in Grenzen, ist aber hoch genug, um eben den Schauder auszulösen, den man zum Weiterlesen braucht. Der Schrecken beschränkt sich nicht nur auf die Fantasy-Welt, die Schlägerbande auf der anderen Seite ist auch nicht ohne. Kinder werden das gut nachfühlen können.
Es gibt einige humorvolle Szenen, Sonjas Familie könnte man glatt adoptieren, es gibt den einen oder anderen selbstironischen Seitenhieb aufs Genre, die auch jugendliche Leserinnen gut verstehen können.
Das Einhorn schließlich, dessentwegen wir das Buch doch im Grund lesen, ist unwiderstehlich wunderbar-fantastisch und gerade richtig rätselhaft. Und es ist schwarz!

Alltag und Magie, die beste Freundin und ein Zauberamulett, vorsichtige Blicke aufs andere Geschlecht und eine fremde, wohlklingende Sprache, Tierliebe und Dämonen, Eltern, die nichts kapieren, und weise Urmütter, sind sehr geschickt zu einem unterhaltsamen und spannenden Mädchenbuch zusammengesponnen. Am Ende wird ein Weniges aufgelöst, die eigentlichen Rätsel sind noch offen und es kommt sogar ein neues dazu. Das wirkt nicht aufgesetzt, Abschluß und Verweis auf die Fortsetzung gehen sanft ineinander über.
Bei aller Pferdeschwärmerei kann man das Buch auch sehr gut lesen, wenn man nicht pferdeverrückt ist, im Gegenteil, für echte Pferdebesessene geht es viel zu wenig um all das, was mit Pferden zu tun hat. Andererseits kann die Geschichte für LeserInnen, die schon tief in Fantasy-Welten stecken, ein wenig zu verhalten sein. Wer aber die Mischung sucht, Pferde und erste Schritte ins Genre und zugleich spannend und gescheit unterhalten werden will, der ist mehr als gut bedient mit diesem Buch.
Eine Landkarte gibt es auch und auf dem kleinen Kompaß bäumt sich das Einhorn auf.

Einfach schön.

Die weißen Schwestern (01.09.2008)

Sonja kann Nachtfrost, das Einhorn, mit dem sie gerade ein Abenteuer in dem eigenartigen Land Parva jenseits der Nebelbrücke überstanden hat, nicht vergessen. Kaum daß sie in ihre Welt zurückgekehrt war, hat eine fremde Frau ihr Nachtfrost weggenommen. Angeblich besitzt diese Frau ein Gestüt. Sonja und ihre beste Freundin Melanie setzen alles daran, das Gestüt zu finden. Aber erst ein Hinweis von Darian, dem seltsamen Jungen aus Parva, hilft ihnen weiter. Das magische Amulett, das Sonja mitgebracht hat, ist ein Schlüssel zu Nachtfrosts Aufenthaltsort. Zugleich stellt sich heraus, daß das Amulett einen neuen Träger gewählt hat: es ist Sonja. Doch diese Erkenntnis verblaßt angesichts der Tatsache, daß sie das Gestüt der seltsamen Frau tatsächlich finden. Ohne lange nachzudenken, radeln Darian, Sonja und Melanie mitten in der Nacht dorthin.

Ihre wenig durchdachte Fahrt, die Melanie in einem Anfall akuter Eifersucht noch krönt, als sie versucht, auf Nachtfrosts Rücken zu springen, bringt die Kinder nicht nur zurück nach Parva, sondern auch in die höchst seltsame Welt der Brückenwächterinnen, die die Wege zwischen den Welten überwachen.
Während Sonja versucht, das Amulett an seinen Bestimmungsort zu bringen, treffen Melanie und Darian die Weißen Schwestern, Isarde und Idore, Herrscherinnen über einen sehr unheimlichen Pilzwald unter der Nebelbrücke. Die Schwestern sind nichts weniger als Hexen und ihre Absichten sind nicht die besten. Melanie steht vor einer echten Herausforderung und sie muß Folgen ihrer Entscheidungen tragen, mit denen sie nie gerechnet hätte.

Sonja hat derweil eine zweite Begegnung mit dem unheimlichen Mann vor sich, der sie schon im ersten Band unbarmherzig verfolgte: der Spürer, ein früherer Gefolgsmann des Königspaars von Chiarron, den Eltern Darians. Aber das Königspaar ist verschwunden, und der Spürer scheint der neue Herrscher zu sein. Sonja kann sich mit Nachtfrosts Hilfe in letzter Minute retten, aber sie steht vor einer schrecklichen Wahl: der Krieg gegen die Nomadenvölker Parvas muß verhindert werden, und nur sie kann das Amulett tragen, das eben dazu gedacht ist. Zugleich weiß sie, daß sich Melanie und Darian in großer Gefahr befinden und Hilfe brauchen.

Der zweite Band der Serie Einhornzauber um Sonja und das schwarze (!) Einhorn Nachtfrost beginnt holprig. Das harmonische Nebeneinander der beiden Welten, Alltag hier, Fantasy da, das im ersten Band so gut gelang, kommt hier nicht zum Tragen. Es wird deutlich, daß der Autorin vor allem an ihrer Fantasy-Welt liegt. Diese gelingt dafür umso besser.
Die Welt der Brückenwächterinnen und überhaupt die Frage, wie die Nebelbrücke entsteht, was Einhörner damit zu tun haben, und wie die Aufgaben der Wächterin beschaffen sind, sind originell gestaltet und spannend ausgedacht.
Isarde und Idore geraten dabei bedrückend und ziemlich unheimlich. Zugleich gibt es Raum für Verständnis und ein wenig Mitgefühl für die beiden. Ihre Geschichte ist auch sehr gut mit den anderen Ereignissen verknüpft, die Betrachtungen über Tore, über Anfang und Ende und das, was dazwischen liegt, fesselt kindliche Leserinnen ganz bestimmt. Es enthält überdies den einen oder anderen Satz, der auch bei Erwachsenen hängenbleiben kann. Schleichend gruselig ist die Beschreibung des Pilzwalds, mit der Luft voller Sporenstaub und dem ewigen rötlichen Dämmerlicht.

Spannend auch die Reise Sonjas, wenn das auch eher der herkömmlichen Action entspricht. Schön die Wiederbegegnung mit den Elarim, sehr überzeugend die Schilderung des Winterlagers und der Winterlandschaften überhaupt. Da wurde mit viel Liebe gemalt.
Nicht zufrieden war ich damit, daß Elri und Lorin zum zweitenmal auf einer Reise mit Sonja stranden. Die beiden, die eigentlich vielversprechende Figuren sind, kommen einfach nicht aus ihrer Komparsenrolle heraus. Dafür gibt es in Sonjas Handlungsstrang einen Cliffhanger, der entschieden bemerkenswert ist. Einfach, oft gelesen, aber höchst wirkungsvoll eingesetzt. Ich gestehe, daß ich frustriert aufgestöhnt habe, als ich die Seite umblätterte.

Komparse bleibt letztlich auch Darian. Er kommt einem weder wie ein Prinz noch wie ein Bote von Chiarron vor. Bei Melanie war die Entwicklung recht überraschend, ihre Eifersucht und ihr Verwöhntsein hätte man mit Leichtigkeit von Anfang an in diese Geschichte einbauen können, ja, müssen. Nun muß man sich mit Anbehauptungen retten, wo man wunderschön hätte zeigen können. Das holpert nicht nur beim Lesen, da läßt auch immer wieder Spannung wegfließen.

Ebensowenig zufrieden war ich mit der Sprache und zwar vor allem bei der Gestaltung der Dialoge. Sie sind fast hölzern, an der Sprechsprache orientiert. Sätze wie: Guck nach vorne! Wenn Nachtfrost plötzlich über eine Schlucht springt, fliegst du runter! (S. 147) kann man sagen, aber in einem geschrieben Text haben sie nichts zu suchen. Und dann noch in einem Fantasy-Roman!
Die Dialoge sind zudem voller Füllwörter, nicht selten werden drei Sätze gemacht, wenn einer genügte. Sie haben kein Timing und kein Tempo.
Idore und Isarde ‚klingen‘ noch am besten, aber auch da hätte man nachlegen können. Asarié hört sich nicht an wie eine Brückenwächterin, sondern eher gelangweilt, verdrossen und nörglerisch. Der Spürer klingt nicht unheimlich, wäre die Situation an sich nicht gefährlich, würde man dem Mann kaum ein Ohr schenken. Überhaupt wird aus der Sprache wenig gemacht, es gibt keine Mißverständnisse bei fremden Gegenständen, keine Witze, keine fremden Wörter mehr. All das, was im ersten Band mit dem schönen Wort ‚Yeriye’ – Weißhaut für Sonja anklang, scheint vergessen.
Vergessen wurden auch Hinweise auf die Kulturtechniken, das Zähneputzen wird z.B. einfach verschoben bis zur Rückkehr in den Alltag, obwohl es im ersten Band genau dazu einen interessanten Satz gab. Das und einiges mehr hätte man zeigen können.

Insgesamt nicht so rundum gelungen wie der Einstieg in die Serie, besticht der zweite Band auf jeden Fall im Fantasy-Teil. Einhorn, Nebelbrücke, Brückenwächterinnen sind wirklich faszinierend. Es gibt gute Ideen, einige originell eingesetzte Wendungen, z.B. wie Asarié vermeidet, daß Sonjas Verschwinden aus ihrem Elternhaus bemerkt wird. Es gibt auch einiges für Pferdeliebhaberinnen, hier wird so richtig galoppiert.
Genügend neue Rätsel tauchen auf, um die Spannung zu halten und weiter zu erhöhen, die Neugier auf den Rest der Geschichte bleibt geweckt. Sonja ist eine Heldin, die immer noch überzeugt, bei den anderen Charakteren wünscht man sich jetzt mehr. Noch sind sie fast einschichtig, bestehen aus Namen und ein paar hinzugefügten Eigenschaften. Es sind zugegebenermaßen inzwischen viele Figuren, die man im Auge behalten muß, was das Gestalten sicher nicht leicht macht.

Trotz aller Einwände eine spannungsreiche Fortsetzung der schön ausgedachten Geschichte von Sonja und dem Einhorn Nachtfrost.

Die zerbrochene Stadt (05.11.2008)

Sonja und Melanie, beste Freundinnen und inzwischen auch Gefährtinnen bei allem, was mit dem geheimnisvollen Land Parva zu tun, haben eben mühsam in ihr ‚richtiges’ Leben zurückgefunden, als das Abenteuer auch schon wieder losgeht. Unbekannte, vogelähnliche Wesen überfallen sie, dabei geht das Wolfsamulett, das Sonja hütet, verloren. Was dahintersteckt ist klar, Gundar von Keban, der Spürer, der im Dienst der Dämonen Krieg gegen die letzten Völkerschaften Parvas anzettelt, hat das Amulett stehlen lassen. Es muß unbedingt zurückgeholt werden, das sagt auch Asarié, nach außen Besitzerin eines Gestüts, tatsächlich aber Brückenwächterin der fremden Welt jenseits der Nebelbrücke. Asarié kann es gar nicht schnell genug gehen, Parva ist schließlich in höchster Gefahr. Ehe Sonja es sich versieht, sitzt sie wieder auf Nachtfrosts Rücken und galoppiert über die Nebelbrücke.

Melanie allerdings, die die Nachfolge der Brückenwächterinnen Idore und Isarde angetreten hat, muß zu ihrem Erstaunen feststellen, daß es noch einen anderen Weg nach Parva gibt. Angesichts der Dringlichkeit der Sache, folgt sie Asarié aber, ohne großen Widerstand. Zurück bleibt Philipp, der ältere Bruder Sonjas, der längst in die seltsamen Geschehnisse verwickelt ist. Ihm bleibt es zunächst auch überlassen, mit all den Merkwürdigkeiten und Unstimmigkeiten zurechtzukommen, die der überstürzte Aufbruch nach Parva zur Folge hat. Ben, der überraschend aufgetauchte, schwarzhäutige Stallmeister des Gestüts, ist dabei mit seinen geheimnisvollen Bemerkungen nur bedingt eine Hilfe. Philipp ist es beschieden, auf eines der schrecklichsten Erlebnisse zuzusteuern, die einem Bruder zustoßen können.
In Parva ergeht es Sonja und ihren Freunden kaum besser. Die Lage erweist sich als schwieriger, als sie je gedacht hätten. Nicht nur sorgt Elri, das Mädchen aus dem Hirtenvolk, für einen beträchtlichen Schock, sie geraten auch wieder in die Hand des Spürers. Selbst als es ihnen gelingt, mit knapper Not zu entkommen, steht ihnen der eigentlich Schrecken noch bevor. In der Zerbrochenen Stadt finden sie für ihre Fragen auch eine Antwort, die sie lieber nicht gehört hätten.

Die Geschichte, die eine Geschichte der Reise zu einer geheimnisvollen Stadt wird, deren Lage nur die Trolle kennen, ist der dritte Teil der Fantasy-Reihe über das schwarze Einhorn Nachtfrost und seine mutige Reiterin Sonja. Erzählt wird, wie in den Vorgängerbänden auch, abwechselnd aus Parva und hiesigen Welt, ein alter Kniff, die Spannung zu erhöhen. Er gelingt ausgezeichnet, da die Autorin ein hervorragendes Gespür dafür entwickelt hat, wann der plötzliche Wechsel am härtesten empfunden wird.

Ausgestattet ist die Geschichte wieder mit den Auftritten einiger der Wunderwesen der fremden Welt, wobei sich Vollenbruch bemüht, nicht einfach an die inzwischen recht einheitlichen Vorstellungen bestimmter Wesen, die den Fantasy-Kosmos bevölkern, anzuknüpfen, sondern gezielt andere Deutungen sucht, um einen eigenen Kosmos zu schaffen. Durchgespielt wird das in diesem Band vor allem am Beispiel der Gnome und Trolle. Angesichts des recht jugendlichen Alters der Zielgruppe, kann man diese Bemühungen gar nicht hoch genug werten, weil hier Vereinheitlichung und Einschichtigkeit entgegengewirkt wird.
Die zugrundeliegende Botschaft, daß nicht alles so klar und einfach ist, wie man annimmt und daß sich ein zweiter und dritter Blick nicht nur lohnt, sondern, daß er erforderlich ist, wenn man wirklich und grundsätzliche etwas Fremdartiges verstehen will, durchzieht die ganze Geschichte.

Was in diesem Buch dann auch wieder zum Vorschein kommt, ist, daß es hier offenbar nicht nur um ein das Erzählen eines neuen Fantasy-Abenteuers geht. Über das Abenteuer, den Aufbau eines eigenen Kosmos und die genreüblichen moralisch-ethischen Themen von Verantwortung, Mut, Freundschaft hinaus, sind in diese Texte immer wieder Vorstellungen eingeschrieben, die an eine grundlegende Angst rühren, der man in der Pubertät ausgesetzt ist. Das ist die Angst, die der Prozeß der körperlichen und geistigen Veränderung mit sich bringt. Es ist ein Zustand der dauernden Unsicherheit, bislang klare Linien fangen an zu verschwimmen, die Orientierung ist nicht mehr eindeutig. Handeln hat mit einem Mal weitereichende Folgen. Entscheidungen bringen Richtiges und Falsches zugleich, nichts ist mehr nur schwarz oder weiß. Nebel überall. Und im Spiegel sieht man plötzlich nicht mehr sich, sondern ein fremdes Wesen.

Das ist sehr niedrigschwellig in den Büchern, sie sind unstreitig der Unterhaltungsliteratur zuzurechenen. Aber da ist es, von Anfang an. Immer wieder geht um die Unsicherheit der körperliche Veränderung. Da ist die wunderbare Idee mit den Wechselbälgern, die für Sonja und Melanie eintreten, während sie in Parva sind, und hier in Band drei zu einer äußerst gruseligen Erkenntnis führen. Es gibt die Spiegelgeschichte und die Entwicklung Elris, die zu ganz großer Form aufläuft (endlich!), die Wolfsmenschen, das Seelentauschen. Ein Stein ist nicht nur ein Stein. Ein Kristallwald ist lebensgefährlich, aber auch wunderschön. Auf den Winter folgt der Frühling, eine der größten Veränderungen überhaupt.
Das Beste daran ist, daß all das nicht durchbuchstabiert wird, sondern gezeigt. Es schenkt der jungen Leserin eine Identifizierungsmöglichkeit auf einer emotionalen Ebene, die in anderen Büchern des Genres oft genug von einschichtigen Liebesgeschichten besetzt ist. Immer wieder ist sie mit plötzlichen Veränderungen konfrontiert, kann den Schrecken durchleben und erfährt, daß es trotzdem weitergeht.
Daß die glatte Zuordnung der Figuren zu passenden Paaren völlig im Hintergrund bleibt, ist ein weiteres Plus der Serie.

Abgesehen von diesen ein wenig theoretischen Überlegungen, die diese Unterhaltungs- Serie geradezu pädagogisch empfehlenswert machen, sind es sehr spannende Abenteuergeschichten. So auch die Geschichte über die Reise zur zerbrochenen Stadt. Der Einstieg holpert wieder ein wenig, vielleicht sollte man nicht jedesmal die ganze Geschichte von Anfang an im Rückblick erzählen. Die Vogelwesen sind wunderbar unheimlich und eklig, die Wechselbalg-Weiterung verstörend. Das Amulett erweist sich als launisch – wieder so ein Beispiel dafür, daß eine Veränderung überall lauern kann – die Gnome sind voller Überraschungen, die Trolle ein Wunder. Auch der Bösewicht, der Spürer, überrascht. Dazu gibt es Wölfe und endlich eine leibhaftige Schattenkatze.

Es gibt so einiges für Pferdefreundinnen. Das Reiten und der Umgang mit Pferden spielt eine größere Rolle als in den Bänden davor.
Vor allem aber gibt es ausgesprochen schöne Beschreibungen von Schneelandschaften und Kälte, denn dieser Teil spielt im tiefsten Winter. Das Sternrückengebirge und die dazugehörige Sage könnten jederzeit auch außerhalb des Buchs wirken, das ist einer der schönsten Teile der Erzählung.

Gefehlt hat mir Melanie, mehr als ihr Name war sie nie. Ich finde es schade, daß hier offenbar mehr auf die Seitenzahl als auf den Verlauf der Handlung geachtet werden muß. Schon zehn Seiten mehr hätten dem Ganzen nur genützt. Auf diese Weise läßt man eine Autorin unter Potential dahindümpeln.

Ein Wort auch endlich zur Umschlaggestaltung: ich gebe zu, daß mich der ‚Metallic-Look’ am Anfang beträchtlich gestört hat. Auf mich wirkt es billig. Aber offenbar habe ich mich daran gewöhnt, das hellere Blau wirkt fast schön. Hinreißend Parvas riesiger Wintermond. Und der Rücken, mit dem Rankenmuster und der angedeuteten Halbunziale gehört eben dazu. Tatsächlich sieht es im Regal ziemlich gut aus, wie sie da nebeneinander stehen, die drei Bände dieser bis jetzt wirklich gelungenen Serie deutscher Fantasy für junge Leserinnen.

Das Volk im Kristall (21.02.2009)

Der vierte Band der Serie ‚Einhornzauber’ beginnt genauso, wie Nachtfrost, das wunderschöne schwarze Einhorn mit der Mähne und dem Schweif aus Silber es am Ende des dritten Bands gesagt hat: er verliert ein Rennen. In der Welt, die nicht Parva und damit seine ist, lebt er nämlich als einfaches Rennpferd. Sonja und Melanie, die Ben, den immer noch ziemlich geheimnisvollen ‚Stallburschen’ des Gestüts von Stetten auf die Rennbahn begleitet haben, erleben Nachtfrosts Versagen mit. Vor allem Sonjas Eitelkeit ist gekränkt, auch Nachtfrost kann sie nicht recht trösten. Das ist aber gar nichts im Vergleich zu den Schwierigkeiten, die fast umgehend eintreten. Ein äußerst unsympathischer Mann will Ben nämlich das vermeintliche Versager-Pferd abkaufen. Er läßt sich auch durch ein energisches ‚Nein’, nicht abspeisen. Zugute kommt ihm, daß die Besitzerin des Gestüts, die eigentlich die Brückenwächterin Asarié ist, seit dem letzten Band in Parva festhängt, der Hof also von Ben allein bewirtschaftet werden muß, weil die Besitzerin offiziell ‚verreist’ ist. Die Polizei taucht auf und will Ben mitnehmen, weil eine Anzeige gegen ihn eingegangen ist. Sonja, noch frustriert von Nachtfrosts Versagen und zugleich voll Angst vor dem düsteren Pferdekäufer, reagiert mit reiner Panik. Sie schwingt sich auf Nachtfrost und stürmt mit ihm davon, ziellos, direkt nach Parva. Sie landen mitten im Krieg.

Melanie muß ihre Aufgabe als neue Brückenwächterin erfüllen, aber ihr steht ein gewaltiger Schrecken bevor. Die Verbindung reißt ab, die Nebelbrücke ist verschwunden. Von da an überschlagen sich die Ereignisse, in dieser Welt und in Parva. Es dauert eine gute Zeit, bis die Freundinnen wieder zusammentreffen, aber auch das bringt ihnen wenig Glück. Die Nebeldämonen haben an Boden gewonnen, der Kampf scheint nahezu aussichtslos. Ein altes Buch und ein rätselhafter Kristall, Überbleibsel eines geheimnisvollen Volkes scheinen zunächst Aussicht auf Rettung zu bieten. Diese Rettung aber verheißt zugleich Schreckliches für jemanden, an den Sonja ihr Herz verloren hat. Der letzte Satz des Buchs ‚Es ist alles in bester Ordnung’ ist eine einzige Lüge und einer der gemeinsten Cliffhanger, den eine Autorin sich nur ausdenken kann!

Im vierten Band steht ‚Action’ im Vordergrund. Die Geschichte wird rasant erzählt, es ist ein rechter Galopp. Die Ruhepausen sind nur eine Ruhe vor dem nächsten Sturm. Das Ganze ist voller Schrecken, Krieg, Tod, Ungeheuer. Zum erstenmal tauchen auch die Nebeldämonen in voller Größe auf. Sie sind beeindruckend.
Die kindlichen Protagonistinnen und Protagonisten müssen mit inneren Ängsten kämpfen, deren Ende nicht abzusehen ist. Dabei gelingt der Autorin das Kunststück, recht unterschiedliche Reaktionen überzeugend nachzuzeichnen. Es ist keine Geschichte mutig-strahlenden HeldInnentums, im Gegenteil, hier gibt es Raum für Zögern, Zaudern bis hin zum Ausrasten. Zugleich wird ganz deutlich gemacht, daß ab einem gewissen Punkt ein Ausstieg nicht mehr möglich ist. Das ist gemessen am Alter der Zielgruppe eine beachtliche Leistung.
Wunderschön und zugleich schreckenerregend sind die Legenden und Gestalten Parvas, die Sonja begegnen. Die eigentliche Geschichte des ‚Volks im Kristall’ verdiente wahrhaftig einen eigenen Roman.

Im Mittelpunkt neben Sonja steht diesesmal nahezu vollberechtigt Melanie, die jetzt einen eigenen Charakter gewinnt, sei es in Parva, sei es in ihrer Welt in der Auseinandersetzung mit ihrer Mutter. Das eine oder andere ist (wieder) zu kurz geraten, so erfährt man z.B. nicht, wie Corinna und Paul, Sonjas andere Geschwister neben Philipp, dem geplagten ältesten Bruder, nach dem Ende des dritten Bands darauf reagierten, mit Asariés unheimlichen Alraunen ausgetauscht worden zu sein. Immerhin bekommt Corinna eine winzige Szene, in der sie mit einem einzigen herben Satz klarmachen darf, daß sie zurecht Sonjas und vor allem Philipps Schwester ist. Wieder auftreten darf auch die kleine Schlägerbande der Hell’s Devils, die Sonja und Melanie im ersten Band gepiesackt haben, ein schöner Dreh in der Handlung. Max, der Anführer, entpuppt sich als mutiger, als seine große Klappe glauben ließ.

Abgesehen davon, daß dieser vierte Band sehr fesselnde Fantasy-Lektüre bietet, ist das Bestechende daran weiterhin, daß man ihn problemlos als Parabel auf die beginnende Pubertät und die ersten Schritte junger Mädchen ins Erwachsenen-Dasein lesen kann. Hier, inmitten dieses Strudels an Angst und Schrecken, werden zum erstenmal auch Liebesbeziehungen unter den Figuren sichtbar. Sie aber bringen, so schön sie sind, gleich die nächsten Ängste. Das ist recht realitätsnah und alles andere als rosarot mit Herzchen. dazu gibt es Auseinadersetzungen mit Eltern, die Frage von Familiensolidarität wird diskutiert, Teenager-Ausrasten thematisiert. Es geht in hohem Maß um Verantwortung, für Menschen und Tiere, hier und in der Fantasy-Welt. Es geht um Fehler, Mut und immer wieder um Veränderung. Auch der Tod ist eine.

Weiterhin höchste Empfehlungsstufe.

Die Vögel des Feuers (26.02.2009)

 Sonja bockt. Das Amulett des Wolfsgottes, die zerstörerischen Nebeldämonen, der Krieg, die Alten Völker, ja, ganz Parva, kann ihr den Buckel hinunterrutschen. Es reicht! Was die neue Prophezeiung verlangt, ist einfach zuviel. Sonja will ihre Ruhe, ein für alle Mal. Abhauen sollen sie alle. Außer Nachtfrost, natürlich. Das Einhorn ist es auch, das Sonja mit der Geschichte vom Teshante-Mann und der Falkenfrau wieder auf den Weg bringt. Und schon sind sie wieder in Parva, weit im Norden diesesmal. Ihr Ziel ist ihnen rätselhaft, offenbar geht es darum, Darian, den Königssohn von Chiarron, endlich wieder zu treffen. Zunächst scheint die Reise im Gegensatz zu früheren Ausflügen geradezu harmlos. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur stört Sonja alte Legenden auf, das freudig erwartete Treffen mit Darian schlägt in böses Erwachen um. Noch ehe der kleine Trupp aus Sonja, Melanie, Elri und Lorin begriffen hat, was geschehen ist, sitzen sie im Kerker von Chiarron. Und Chiarron ist in der Hand des Spürers.

Die folgenden Ereignisse bringen jedes der Kinder bis an den Rand des Erträglichen. Melanie geht eigene Wege und landet in ihren eigenen Albträumen. Elri muß sich einem völlig veränderten Darian stellen. Darian kämpft nicht nur um sein Land, sondern auch um das Leben seiner Eltern. Lorin muß sich mit dem Vermächtnis auseinandersetzen, das der Wolfsgott ihm hinterlassen hat und das auch die tödliche Prophezeiung enthält. Sonja muß die Macht des Amuletts einsetzen und lernen, bewußt zu handeln. Hoch auf der schwarzen Brücke über dem Schlot aus Obsidian entscheidet sich unter dem Flügelschlag der riesigen Feuervögel das Schicksal Parvas.

Nach silbergrünlich, silberrosa, silberblau und Altgold prangt der Einband nun in kupferorange. Wir sind bei Teil 5 der Saga ‚Einhornzauber’ angekommen und es brennt! In Parva ebenso wie in den Köpfen und Herzen unserer HeldInnen. Das Buch überrascht mit eine Fülle neuer Einfälle, der Erfindungsreichtum der Autorin scheint unerschöpflich. Gelegentlich drängt er schon heftig gegen die Enge der äußeren Vorgaben.
Zum erstenmal geht es ganz deutlich um die Kehrseite der Dinge, die Folgen von Handlungen. Und um Grenzen. Wie wird man die Geister los, die man rief? Oder aber: kann man lernen, mit ihnen zu leben? Einer der Geister ist dabei die Liebe. Sie öffnet die Augen, kann sie aber auch verschließen, eine Erfahrung, die außer Sonja auch Darian machen muß.

Ein wichtiger Teil der Geschichte ist die Entwicklung Melanies. Ihre Entscheidung ist richtig und zugleich falsch, eine provozierende Setzung in einem Jugendbuch. Was Melanie dadurch auslöst, ist durchaus geeignet, auch bei den Leserinnen Albträume auszulösen. Überhaupt gibt es nicht wenige Schreckensszenen. Daß sie nur zu einem Teil von der Fantasy-Szenerie bedingt sind, eigentlich aber sehr genau die höchst diffizile Befindlichkeit der frühen Pubertät wiedergeben, mit all den Ängsten und Wünschen des Angenommenwerdens und Weggestoßenseins, ist ein weiterer Pluspunkt dieses Bandes.

Neben neuen Figuren, wie z.B. der ganz großartigen Sturmvogelfrau, den Windläufern und der Falkenfrau, tauchen alte Bekannte auf, allen voran der Spürer, Sonjas böser Gegenspieler, aber auch die Hexenschwestern Idore und Isarde, in deren Fänge Melanie wieder gerät. Es gibt phantastische Landschaftsbeschreibungen, über der Erde und unter der Erde. Der nächtliche Zug der Einhörner über die Steppe bleibt ebenso unvergeßlich, wie die Beschreibung der juwelenbesetzten Kristallhöhle. Die Figuren sind überzeugend, trotz der harten Beschränkung, die die vorgegebene Seitenzahl der Erzählerin auferlegt, gelingt es tatsächlich, vier ganz unterschiedliche Entwicklungen ihrer Hauptfiguren zu zeigen. Dabei verlieren auch die Nebenfiguren nicht, weder die alten, noch die neuen.

Die Spannung steigt auf den höchsten Punkt und entlädt sich grandios. Tatsächlich ist die Geschichte um das Wolfsamulett hier zu Ende. Daß es trotzdem noch eine Fortsetzung gibt, ist im Unterschied zu anderen Serien keine Zeichen für eine Endlos-Spule, sondern, aufs Ganze gesehen, tatsächlich ein meisterlicher Kniff. Schließlich geht es hier ums echte Leben. Auch unter dem riesigen Mond von Parva.

Die Insel der Nebelkönige (27.02.2009)

Obwohl die Nebeldämonen zurückgeschlagen werden konnten, ist Sonja noch nicht aus Parva zurückgekehrt. Das liegt zum einen daran, daß sie sich von all dem, was ihr in diesem fremden Land liebgeworden ist, noch nicht trennen möchte, zum anderen an ihrem Stolz auf ihre Leistung als Auserwählte der Göttin Aruna. Beides zusammengenommen macht sie aber auch übermütig. Prompt läßt sie sich auf eine halsbrecherische Unternehmung ein. Sie verspricht, Königin Aletheia aus dem Reich der Nebeldämonen zu retten. Nicht einmal Nachtfrosts Einwände können sie abhalten. Sonja ist schon auf dem Weg, als ihr dämmert, daß sie diesesmal ohne Amulett und außerhalb jeder Prophezeiung handelt. Als Nachtfrost dann auch noch eigene Wege gehen muß, ist das Unglück vorprogrammiert. Einer der mächtigsten der Nebelkönige hat schon auf sie gewartet. Er will Sonja für seine eigenen Zwecke benutzen.
Melanie, die auf ihrer Flucht aus Chiarron und vor den Weißen Schwestern lange Zeit in der Geisterwelt zwischen den Spiegeln verloren gegangen war, muß sich nach ihrer überraschenden Rettung der Tatsache stellen, daß sie vor allem Durcheinander angerichtet hat, das keinem nützte. Unversehens aber werden von ihr Entscheidungen verlangt, bei denen Selbstmitleid nur fehl am Platz ist. Melanie muß im Wortsinn einen Sprung ins Nichts hin zur Verantwortung für sich und für andere machen.
Am Ende ist alles gut, obwohl es nicht unbedingt ein gutes Ende nimmt.

Der sechste Band um Sonja und Nachtfrost ist eine gewagte Angelegenheit. Er ist notwendig, weil es aus den vorhergehenden Bänden genug Überhangmaterial und lose Fäden gab, die unbedingt verarbeitet und verwahrt werden mußten. Auf der Ebene des Mädchenbuchs klappt es im Großen und Ganzen auch gut, vor allem, wenn man ihn als die bislang fehlende Geschichte Melanies sieht. Diese entfaltet sowohl in dieser Welt als auch in Parva ihre volle Wirkung. Der Handlungsstrang mit den Alraunen ist, trotz des deutlichen ET-Touches, einfach nur schön. Die Figur Sebastians von den Hell’s Devils auszubauen, wie sie ausgebaut wurde, ist eine Überraschung, die rundum gelingt.
Die Lösung des Problems ‚Idore und Isarde’ enthält Strafe und Komik zu gleichen Teilen. Ben gewinnt einige Dimensionen, die Richtung, die das Verhältnis zwischen Melanie und Sonjas ältestem Bruder Philipp einschlägt, ist wirklich fein ausgedacht und lebensecht. Überzeugend und klug werden Elemente des allerersten Bands aufgenommen und sicher verknotet.

Weniger überzeugend, wenn auch spannend genug, ist die Handlung auf der Nebelinsel. Das ist zu kurz, zu skizzenhaft geraten. Das Grüppchen Darian, Elri, Lorin muß vorübergehend sogar ganz ausgeblendet werden, weil der Raum einfach zu eng ist. Das wiederum läßt den Höhepunkt bei aller Dramatik merkwürdig blaß erscheinen. Die Entscheidungen, die die Figuren treffen müssen, sind nicht recht nachvollziehbar, sie rutschen in den Bereich ‚anbehauptet, nicht illustriert’. Tatsächlich wird hier ein mehrgängiges Menü als Fünf-Minuten-Terrine serviert.

Das hatt seinen Grund darin, daß in diesem sechsten Band zutage tritt, was sich spätestens ab dem vierten Teil der Geschichte um das Amulett des Wolfsgotts angekündigt hat: die zunächst kleine Geschichte über Parva ist gewachsen, so sehr, daß sie eine Eigendynamik entwickelt hat, die den Rahmen einer Erzählung für Mädchen sprengt. Drängte es in Band vier schon gelegentlich hart an den Rand der Seiten, war der Druck im fünften Band hoch genug, daß man häufig ein Überquellen befürchten mußte. Im sechsten nun wurde hochtaugliches Fantasymaterial von beträchtlicher Eigenständigkeit dem kindlich definierten Kosmos angepaßt, und zwar gewaltsam. Dem Buch als Mädchenbuch schadet das nicht unbedingt, dennoch müssen auch die Leserinnen der Zielgruppe einen neuen Ton hinnehmen. Er ist ernster, dunkler, ‚erwachsener’. Er paßt zum Aufbruch in eine neue Phase, aber er zeigt auch, daß es höchste Zeit ist, mit der Geschichte Parvas nur aus Kinderaugen aufzuhören. Das kühle Silber mit dem eher blaugrundigen Violett fängt die neue Stimmung ganz gut ein.
Der sechste Band ist ein faszinierendes, vorwärtsweisendes Leseerlebnis. Für das kindliche Publikum ist es ein durchaus befriedigender Abschluß, der allerdings stärker von Trauer geprägt ist als die vorhergehenden Bände.

Insgesamt gehören die sechs Bücher zu denen, die eine mehrfache Lektüre gut vertragen. Es gibt immer wieder etwas zu entdecken, zu erkennen, anders zu deuten. Es sind Bücher, die man auch nach Jahren noch aus dem Regal ziehen kann, ohne das leise Gefühl der Scham zu spüren darüber, ‚daß man als Kind so etwas Seichtes gelesen hat’. Es sind Bücher zum Liebhaben, es ist eine Geschichte zum Lieben und eine, von der sicher manche Szene und so mancher Name für alle Zeiten bei einer bleibt, auch wenn man die genauen Zusammenhänge irgendwann vergißt.
Der sechste Band und damit die Reihe ‚Einhornzauber’ endet dann auch voll Liebe, nämlich mit zwei Personen ‚Hand in Hand’. Es ist kein geringer Verdienst der Autorin, daß es sich dabei nicht um ein klassisches Liebespaar handelt. Es ist, genau in diesem Moment, etwas viel Wichtigeres: die beste Freundin der Welt!

Seelendieb (16.02.2015)

Wenn ein Abenteuer zu Ende ist, ist auch die Geschichte aus. So war das am Ende des sechsten Bands der Erlebnisse der zwölfjährigen Sonja und dem schwarzen Einhorn Nachtfrost. Das Land Parva war gerettet, eine Prophezeiung erfüllt.
Aber tatsächlich waren noch einige Fragen offen, was die zugrunde liegende Geschichte angeht. Nun hat sich die Autorin daran gemacht, diese Fragen zu beantworten.

Herausgekommen ist wieder ein Fantasy-Abenteuer für junge Teenager mit den bekannten Figuren. Sonja, ihre Geschwister Philipp, Corinna und der kleinen Paul, ihre Freundin Melanie, die frühere Motorroller-Gang, die inzwischen gezähmt ist, und auch denen, die der magischen Welt jenseits der Nebelbrücke angehören, allen voran Nachtfrost und der geheimnisvolle Ben Arvin.
Ihr Alltagsleben zwischen Familie und Gestüt ist nur auf den ersten Blick in Ordnung. Tatsächlich ist die Lage ungemütlich geworden, weil es allmählich schwierig wird, die immer länger dauernde Abwesenheit der Besitzerin des Gestüts vernünftig zu erklären. Tatsächlich steht sie unter einem Straffluch und kann gar nicht zurückkommen.
Das gerät rasch in den Hintergrund, als Nachtfrost Sonja überraschend warnt. Sie nimmt die Warnung nicht ganz ernst. Im nächsten Moment ist das Einhorn verschwunden. Sonja hat den Schock noch nicht überwunden, als Philipp und Melanie, die magisch mit der Nebelbrücke verbunden sind, spüren, daß etwas in ihre Welt eingedrungen ist. Und schon ist die ganze Umgebung in heller Aufregung, weil ein gefährliches Tier den Wald unsicher macht.
Ausgerechnet der kleine Paul beschließt, daß das ein Abenteuer nach seinem Geschmack ist. Mit einem Dämon hat er nicht gerechnet. Die Folgen sind schlimm, schlimm ist auch, daß Sonja begreift, daß ihr ein Dämon auf den Fersen ist. Eine nicht ganz durchdachte Rettungsaktion bringt sie samt Melanie in eine völlig unbekannte Gegend der Welt Araun, wo sich so ziemlich alles gegen sie zu verschworen haben scheint. Was Sonja und Melanie erleben ist ganz anders als das, was sonst so in Abenteuerbüchern steht. Es ist eine furchterregende Realität, die tödlich sein kann.

Auch wenn Sonja und ihre Freundin immer noch zwölf sind, ist ihr Abenteuer nicht auf eine kindliche Erlebniswelt beschränkt. Ben macht das ganz klar in einer beeindruckenden Szene mit Sonja. Abenteuer sind kein Ferienspaß. Zwischen Teenagergekabbel, Eifersuchtsanfällen und dem immerwährenden Ausloten der Haltbarkeit ihrer Freundschaft müssen sich Sonja und Melanie mit Fragen und Widerständen auseinandersetzen, wie sie auch Erwachsene bewältigen müssen. Sie stehen Gegnerinnen und Gegnern gegenüber, deren Reaktion nicht berechenbar ist. Sie machen Fehler, stolpern über eigene Vorurteile und sind gedankenlos. Das bringt nicht nur Spannung in die Geschichte, sondern auch eine Menge Denkanstöße.

Es dauert ein bißchen, bis sich die Autorin warmgeschrieben hat, die Figuren wieder eingeführt sind und die Geschehnisse an das Zurückliegende angebunden. Aber dann geht es rasant weiter, es gibt neue tiefere Einblicke in die fremde Welt, die weit über übliche Teenager-Fantasy-Stereotypen hinausgehen. Die fremde Welt ist faszinierend und furchterregend zugleich, es wird viel Wert darauf gelegt, Fremdartiges darzustellen und ihm einen eigenen Wert zu lassen, ohne es an Vertrautes anzupassen. Es ist auch eine Erfahrung, die die jugendlichen ProtagonistInnen machen, daß sie mit einigem leben müssen, das sie nicht verstehen. Ebenso müssen sie mit ihren Fehlern und Fehlentscheidungen umgehen und Risiken auf sich nehmen, mit ungewissem Ausgang.

Ein paar Fragen werden geklärt, man erfährt mehr über das Wesen von Geistern und Dämonen (faszinierende Idee!), aber mit jeder Antwort werden gleich neue Rätsel und Verwirrungen geliefert. Die Geschichte muß weitgehend ohne Nachtfrost auskommen, was zunächst schmerzt, aber sich als notwendig erweist. Es geht hier um die böse Seite des Abenteuerlebens, vom Haferschleim bis wütenden Dämonen.

Es ist eine gelungene Fortsetzung, die zugleich der Weg in eine ganz neue Geschichte ist, voller Unerwartetem, noch ein wenig düsterer als das erste Abenteuer. Und natürlich endet es mit einem bösen Cliffhanger.

 

 

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